[SCORE + ] Fantasie, Intuition
[SCORE – ] Panikattacken, Tablettenabhängigkeit, Coffein- und Nikotinsucht
Als sie an sich hinunter zu ihren Füßen blickte, sah sie spärlich beleuchtet nichts als einen Haufen Geröll – eher eine Art Abfall aus Kiesel- und Betongries als eine Ansammlung von natürlichem Stein. Auf dem feuchten Grund konnte sie ihren eigenen Schatten erkennen. Das Licht fiel offenbar aus großer Höhe herab und sie fand sich in einem engen Raum wieder, der von rohen Wänden begrenzt wurde. Die Blasen in der grauen Oberfläche ließen auf eine Schalung aus Beton schließen, ein grünlicher Rest von blätterndem Putz führte ihren Blick in die Höhe, wo eine kleine Öffnung zum Himmel wies. Wie war sie nur hier unten angekommen? Und wie würde sie wieder herausfinden? Panik erfasste sie. Und tatsächlich hätte die Todesangst sie hinweggerissen, wäre da nicht ein zartes Grün an der Wand zu erkennen gewesen, so eine kleine Wucherung von Leben, die sich aus dem Sand des Zementputzes heraus mit fragilen Blättchen nach oben streckte …
Schwer atmend wachte sie auf. Ihr Puls raste. Die App zeigte nicht nur eine erhöhte Frequenz, sondern auch Rhythmusstörungen des gesamten Lebensorgans. Sie griff in die Onyxschale neben ihrem Bett und nahm zwei Tavor ein. Die Symptome beruhigten sich wieder und sie erhob sich mit schweren Gliedern. Während sie sich an der Versorgungsinsel eine Zigarette anzündete, wischte sie über den Sensor der Espressomaschine. Sofort sprudelte das Getränk in die Tasse. Mit hastigen Zügen sog sie den Rauch in ihre Lungen und nippte am Kaffee. Das Fenster zur Straße ließ sich nur einen Spalt öffnen, gerade genug um den Qualm langsam aus der Nase wieder hinaus ins Freie zu blasen. Von draußen drang ein ohrenbetäubender Lärm.
Der Mond war groß und rot und er schien ein wenig zu vibrieren. Aus seinem unregelmäßigen Umriss trat eine Aura hervor wie eine dicke Flüssigkeit, die das gesamte All rot glühen ließ. Das Licht einer gigantischen Sonne beleuchtete die Mondkugel und ließ ihre zerfurchte Oberfläche hervortreten. Täler und Erhebungen gipfelten in einem porösen Kraterauge, das immer näher herankam und Addicta gewissermaßen ansaugte, bis sie glaubte die Hände danach austrecken zu können. In leichter Panik griff sie nach einem großen Messer, setzte die Klinge exakt auf die Mitte der bedrohlichen Iris und führte dann waagrecht einen scharfen Schnitt. Sie hatte erwartet, dass der Glaskörper unmittelbar durchtrennt und sein Inneres herausquellen würde um mit seinem Blut alles zu überschwemmen. Aber das Ding leistete unerwarteten Widerstand, ja, es war überraschend hart und sie musste ihr ganzes Körpergewicht einsetzen, um es in kleine Stücke zu zerschlagen und endlich in den Kochtopf zu werfen.
Als sie vom Trainingsgerät stieg, war ihr schwindelig. Sie hatte die elektronische Anzeige bis zum Letzten getrieben und ihr Pensum mehr als erfüllt. Das Organ in ihrer Brust pumpte verdächtig und mit unsicheren Schritten bewegte sie sich über den lackierten Beton der Fitness Etage, die sie mit den übrigen Bewohnern im Co-Living Estate der Wonder Ltd. teilte. Das glänzende Grau schien unter ihren Schritten nachzugeben und plötzlich blickte sie an seiner hellsten Stelle in eine endlose Tiefe, die ihr Schwindelgefühl in Panik verwandelte. Mühsam tastete sie sich an der Wand entlang, bis sie schwer atmend auf einem Stuhl niedersank. Mit geschlossenen Augen zurückgelehnt, empfand sie einen starken Druck auf den Ohren als wäre sie in großer Höhe unterwegs und ihr wurde übel …