Wer bestimmt das „Narrativ“?
Die Künstlerin fragt (sich): Was bewegt Menschen stundenlang Schlange zu stehen, um dann in einer überfüllten Ausstellung gewesen zu sein? Ist es nur der kostenlose Eintritt? Steht der gesellschaftliche Treffpunkt, die Party im Fokus? Oder will man einfach von Anfang an dabei gewesen sein als Zeichen einer gewissen Zugehörigkeit und Distinktion? Was wird von einem Kunstevent heute erwartet? Was hat eine solche Show abgesehen von der gesponserten Standort- und Imagewerbung sonst noch zu bieten? Ist das Ganze nicht vielmehr Teil einer propagandistischen Unterhaltungs- und Ablenkungsmaschine? Ein wiederkehrendes Tätigkeitsfeld für bestimmte Spezialisten, die angepasst an die neuesten Trends einen Insider-Diskurs anstoßen, aber ihre Rolle im System selten in Frage stellen?
Anders formuliert: Wo hört das inhaltliche Engagement der Kulturmacher auf und wo fängt die Instrumentalisierunng durch eine politische Klasse an?
Ich habe mir Bruno Latour auf arte angesehen – es gibt dort ein ausführliches Gespräch mit ihm. Dabei hat mir besonders gefallen, wie er seine Zusammenarbeit mit Theater, Ausstellung und Hochschule beschreibt – Parlament der Dinge etc. Gegen seine Weltsicht habe ich im Ganzen wenig einzuwenden – ich bin weitgehend d’accord. Die Frage ist nur, wie das jenseits der Theorie aussieht, wer sich die Ideen einer neuen (Schichten übergreifenden) ökologischen Klasse zuerst aneignet und wer dann das neue „Narrativ“ bestimmt und vereinnahmt.
Ja – vielleicht kann auch die Kultur dazu beitragen, hier ein Bewusstsein zu schaffen und Selbstbestimmung jenseits von Instrumentalisierung zu ermöglichen. Und vielleicht ist hier „kollektive Arbeit“ besser geeignet als das klassische Einzelkämpfertum …?
Nachtrag: Nach Bazon Brock wäre genau das ein Missverständnis. Das Aufgehen unabhängiger und individueller künstlerisch-wissenschaftlicher Äußerung („Autorität von Autorschaft“) in einer kollektiven „kulturellen Identität“, die selbst bereits durch totalitäre Machtansprüche instrumentalisiert ist. Wobei die Frage zu stellen wäre: Wie ist unabhängige „freie“ Äußerung heute noch möglich? Ist sie nicht längst korrumpiert?
Treffender Kommentar von Bazon Brock zur Documenta
Die „beste Documenta aller Zeiten“ zeigt die Abschaffung der Freiheit von Kunst zugunsten eines Kulturalismus unter dem Motto „Gemeinsam Abhängen …“ und enthüllt damit den Zeitgeist. Eine dramatische Warnung vor der Zerstörung des Individuums unter totalitären Vorzeichen … Vgl. Video